Rezension: 
              „Wicked“ hatte am 27.09.2006 in London Premiere, am 
              05.10.2006 habe ich mir die Abendvorstellung angeschaut. Das Musical 
              war in den USA ein großer Erfolg und ist mehrfach ausgezeichnet 
              worden, es erzählt die Geschichten von 3 der 4 Hexen von Oz 
              in der Zeit bevor und während es Dorothy das erste Mal nach 
              Oz verschlug. 
            Die Geschichte - und damit auch das Musical - beginnt damit, dass 
              Elphaba, die böse Hexe des Westens, tot ist, und jeder sich 
              darüber freut, schließlich war sie ja böse - oder 
              doch nicht? Das Buch „Der 
              Zauberer von Oz“ und auch der MGM-Musical-Film „Der 
              Zauberer von Oz“ von 1939, für die „Wicked“ 
              quasi die Vorgeschichte ist, lassen keinen Zweifel daran aufkommen, 
              dass sie böse war - abgrundtief böse. 
            Und so befindet sich ganz Oz im Freudentaumel, denn wer trauert 
              schon um eine böse Hexe? Wie es so ist, wenn eine Geschichte 
              mit ihrem Ende anfängt, ist es nötig die eigentlichen 
              Geschehnisse rückblickartig auszuführen … und so 
              greift die Geschichte zurück, um zu erklären, das Elphaba 
              von Geburt an lernen musste, mit ihrer grünen Hautfarbe und 
              der darauf resultierenden Abneigung ihrer Umgebung umzugehen. 
            „It's Not Easy Bein' Green” sang schon Kermit der Frosch, 
              der im Film „Muppet – 
              Der Zauberer von Oz“ auch als Vogelscheuche durch Oz laufen 
              durfte und so lässt sich auch der Werdegang von Elphaba zusammenfassen. 
            Indina Menzel ist toll in dieser Rolle, aber 
              sie wird sich als Elphaba immer an ihrer großartigen Broadway-Cast-Aufnahme 
              messen lassen müssen - und diesem zu hohen Anspruch kann sie 
              nicht gerecht werden. 
            Das Musical erzählt weiter von der gemeinsamen Studienzeit 
              von Elphaba, ihrer Schwester Nessarose und Glinda. Die Schulleiterin 
              Madame Morrible weist Elphaba und Glinda ein gemeinsames Zimmer 
              zu, erkennt aber auch die außergewöhnlichen magischen 
              Fähigkeiten von Elphaba. Die beiden Zimmergenossinnen können 
              sich nicht ausstehen. Die „Grüne“ und das „Blondchen“ 
              verabscheuen sich regelrecht. 
            Helen Dallimore liefert eine Glanzleistung 
              als zickiges Blondchen Glinda und hat das Publikum zu jeder Zeit 
              - ihrer Rolle entsprechend beinahe kokett - im Griff. Sie spielt 
              die doch stark überzeichnete Rolle mit viel Selbstironie und 
              füllt mit ihrer Stimme förmlich das Theater. 
            Die beiden gegensätzlichen Charaktere erzeugen Aufmerksamkeit, 
              aber Sympathie kann man für keine der beiden Figuren aufbringen, 
              eher Staunen und etwas Mitleid und natürlich Ehrfurcht für 
              die Leistungen der beiden Darstellerinnen, die diese Figuren zum 
              leben erwecken.  
            Als der Geißbock Doktor Dillamond, einer der Lieblingslehrer 
              Elphabas, ihr seine Beobachtungen mitteilt, dass die Tiere von Oz, 
              ihre Intelligenz und damit auch ihre Sprache verlieren, ist Elphaba 
              ganz zuversichtlich, dass der Zauberer von Oz weiß, was zu 
              tun ist, und sie verspricht zu helfen. 
            An derselben Schule wie Elphaba ist auch ihre Schwester Nessarose, 
              die im Rollstuhl sitzt, weil sie nicht laufen kann. Anders als Elphaba 
              ist sie den gesellschaftlichen Verpflichtungen und Genüssen 
              nicht abgeneigt. Auf einem Schulball, den Glinda und ihr Freund 
              Fiyero als Paar des Abends dominieren, bringt Glinda Boq, einen 
              ihrer Verehrer, dazu, sich Nessarose zu nähern und mit ihr 
              anzubändeln.  
            Die Rolle der Nessarose ist die undankbarste 
              im ganzen Stück. Die Figur ist wichtig, aber lange Zeit nicht 
              wichtig genug. Nahezu jede andere Figur hat ihre Momente, in denen 
              der jeweilige Darsteller in ihr glänzen kann. Dieser Moment 
              kommt später auch für Katie Rowley Jones, doch Nessarose 
              bleibt in Erinnerung als langweilige, Rollstuhl fahrende Schwester. 
              Das totale Gegenstück ist James Gillan als Boq, der nahezu 
              in jeder Szene durch seine Quirligkeit auffällt und eine der 
              besten schauspielerischen Leistungen des Abends abliefert. 
            Glinda, der die erfolgreiche Kuppelei sichtlich behagt hat, versucht 
              nun die Barrieren zwischen sich und Elphaba zu überwinden. 
              Unmittelbar darauf wird Doctor Dillamond - der dabei ist, seine 
              Sprache zu verlieren - von der Schule entfernt, und den Studenten 
              wird nahe gebracht, dass Tiere nur Tiere seien, und es unnatürlich 
              wäre, dass sie sprechen. Als ein Experiment an einem kleinen 
              Löwen durchgeführt werden soll, greift Elphaba ein und 
              erhält dabei Unterstützung von Fiyero. Sie lassen den 
              Löwen (der bei dem Experiment seinen Mut verlor) frei und entdecken 
              ihre Gefühle füreinander. Fiyero bleibt Glinda treu und 
              als kurz darauf Elphapa eine Audienz beim Zauberer von Oz in der 
              Smaragdstadt hat, nimmt diese ihre jetzige beste Freundin Glinda 
              mit dorthin.  
            Die Rolle des Doctor Dillamond ist nur klein, 
              und der Figur fehlt es etwas an Profil, aber Martin Ball bietet 
              schauspielerisch und gesanglich ein sehr gute Leistung. Von der 
              Stimme etwas fehlbesetzt wirkt der gut aussehende Adam Garcia als 
              Fiyero, schauspielerisch ist er aber so gut, dass man das vergisst. 
              Er verleiht der Figur das nötige Profil, um die Wandlung vom 
              Schönling zum smarten Liebhaber nachvollziehen zu können. 
              Er zieht das Publikum förmlich in seinen Bann. 
            In der Smaragdenstadt eröffnet der Zauberer von Oz Elphaba, 
              dass er sie gerne in seinen Dienst stellen will und wie ein Vater 
              für sie wäre. Er und Madame Morrible überreichen 
              Elphaba das Grimmerie, ein uraltes Zauberbuch.  
            Dass Miriam Margolyes in der Rolle der Madame 
              Morrible – wie angekündigt – nicht singt, sondern 
              die Texte spricht, fällt wegen ihrer schauspielerischen Dominanz 
              in allen Szenen gar nicht richtig auf. Die Figur an sich ist etwas 
              unklar angelegt, als Mentorin zu wenig präsent, als machthungrige 
              Furie nicht exzentrisch genug. 
            Die am wenigsten festgelegte Figur des Musicals 
              ist der Zauberer von Oz und Nigel Planer überzeugt durchaus, 
              aber sein Zauberer ist doch sehr distanziert und berechnend. 
            Nun muss Elphaba ihre außergewöhnlichen Kräfte 
              beweisen, der Schwebezauber an dem Affendiener Chistery ist für 
              diesen aber eine Qual: Unter großen Schmerzen wachsen ihm 
              Flügel. Entsetzt darüber erkennt Elphaba, dass der Zauberer 
              derjenige ist, der die Tiere unterdrückt. Es kommt zum Streit 
              und sie flieht. Madame Morrible verbreitet das Gerücht, Elphaba 
              sei böse und man solle sich vor ihr in Acht nehmen – 
              vor der bösen Hexe. 
            Diese Szene, mit einem der eindrucksvollsten 
              Songs des Musicals „Defying Gravity“, entlässt 
              die Zuschauer in die Pause. Miriam Margolyes Worte als Madame Morrible 
              klingen noch in den Ohren und Indina Menzel als Elphaba hat ihren 
              größten Auftritt des Stückes hinter sich. 
              
              
              
            Dass nach der Pause auf die Handlung bezogen 
              einige Jahre vergangen sind, macht den Einstieg in den zweiten Akt 
              nach dem furiosen Finale des ersten nicht einfacher. 
            Elphaba kämpft für die Freiheit der Tiere. Die Einwohner 
              von Oz fürchten und verachten sie als Hexe. Glinda arbeitet 
              im Dienste des Zauberers und wird zur Inkarnation des Guten stilsiert. 
              Fiyero soll mit Glinda verlobt werden, hat aber seine Zweifel.  
            Elphaba besucht derzeit ihre Schwester Nessarose und versucht ihre 
              Schwester zu überzeugen, dass sie sich auch gegen den Zauberer 
              stellt. Dank ihrer Kräfte gibt Elphaba den Schuhen Necaroses 
              die Magie, die es Necarose erlaubt, damit zu laufen. Boq sieht den 
              Zeitpunkt gekommen, sie endgültig zu verlassen und beichtet 
              ihr seine Gefühle für Glinda. Nessarose rastet aus und 
              will ihn verzaubern, der Liebeszauber misslingt aber und lässt 
              Boqs Herz schrumpfen. Elphaba rettet sein Leben, verwandelt ihn 
              dabei aber in einen Blechmann. 
            Diese Szene ist ein Spagat zwischen gelungenem 
              und übertriebenem Bezug zum „Zauberer von Oz“ und 
              hier insbesondere zum MGM-Film. Gelungen ist: „Theres no place 
              like home“ gesprochen von Elphaba als sie ihre Schwester besucht. 
              Die verquere Geschichte, Boq zum Blechmann werden zu lassen, ist 
              dagegen ein zwar überraschender aber unnötiger Eingriff 
              in die Geschichte. Mit der Klärung der Herkunft der Vogelscheuche 
              einige Zeit später wird das ursprüngliche Oz dann schlussendlich 
              karrikiert. 
            In dieser Szene hat nun endlich Katie Rowley 
              Jones als Nessarose ihren großen Moment als böse Hexe 
              des Ostens.  
            Elphaba kehrt in die Smaragdenstadt zurück, um die fliegenden 
              Affen zu befreien, trifft dabei jedoch auf den Zauberer. Die beiden 
              versöhnen sich fast, aber da entdeckt sie Dr. Dillamond, der 
              seine Fähigkeit zu sprechen komplett verloren hat. Das bestärkt 
              sie in ihrem alten Kurs. Nur mit Hilfe Fiyeros gelingt ihr die Flucht. 
             
            Glinda ist von der Abwendung Fiyeros zutiefst enttäuscht und 
              schlägt vor, Elphaba eine Falle zu stellen. Man müsse 
              nur das Gerücht verbreiten, dass Nessarose in Gefahr sei und 
              sie Hilfe bräuchte. Madame Morrible verfolgt derweil eigene 
              Pläne und wird sich nicht mit einem gerücht begnügen 
              sondern einen tödlichen Sturm heraufbeschwören. 
            Fiyero und Elphaba verbringen eine gemeinsame Nacht, in dem Wissen, 
              dass nichts so bleiben wird, wie es gerade ist. Einer Ahnung gleich 
              hört Elphaba plötzlich ihre Schwester schreien und fliegt 
              los, um diese zu retten. Sie kommt zu spät, Nessarose ist tot 
              und ihre Schuhe hat jetzt ein kleines Mädchen namens Dorothy. 
              Elphaba trifft auf Glinda und vermutet, dass diese hinter all dem 
              steckt. In dem Moment da Elphaba gefangen genommen werden soll greift 
              Fiyero ein, Elphaba kann fliehen. Als nun Fiyero verhaftet und gefoltert 
              wird, ist Elphaba außer sich vor Zorn und wendet sich endgültig 
              gegen die herrschende Schicht von Oz.  
            Nach der Ankunft von Dorothy in der Smaragdenstadt hetzt der Zauberer 
              diese auf Elphaba, die böse Hexe des Westens.  
            Glinda und Elphaba begegnen sich ein letztes Mal und sie versöhnen 
              sich, und es sieht so aus, als ob niemand den Tod der bösen 
              Hexe des Westens bedauern wird - außer Glinda ... 
            Das Ende hat noch ein paar kleinere Überraschungen 
              parat, der 2. Akt hat aber das Problem, dass er dem furiosen Finale 
              des ersten nicht das Wasser reichen kann.  
            Alles in allem war es ein sehr unterhaltsamer 
              Abend mit fantastischen Schauspielern und einem grandios aufspielenden 
              Orchester.  
              
            Torsten Kühler, 01.11.2006 
            
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