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Comic - Der Zauberer von Oz

 
Der Zauberer von Oz, Ehapa 2006  

Titel: Der Zauberer von Oz
erschienen: August 2006
Verlag: Ehapa Comic Collection
Format: Buch, 96 Seiten
Zeichnungen: Enrique Fernandez
Text: David Chauvel
Ursprungsland: Frankreich

ISBN-10: 3-7704-2915-x
ISBN-13: 978-3-7704-2915-8

 
Coverabbildung      
 

Rezension:
In den USA kennt diese Geschichte fast jedes Kind: Ein kleines Mädchen gerät zusammen mit ihrem Hund Toto in ein zauberhaftes, farbenprächtiges Land namens Oz und der einzige, der ihr helfen kann nach Hause zu gelangen, ist ein mächtiger Zauberer in der geheimnisvollen Smaragdstadt. Auf ihrem Weg dorthin, der durch einen gelben Ziegelsteinweg vorgegeben ist, trifft sie neue Freunde: Die Vogelscheuche ohne Verstand, den Blechmann ohne Herz und den Löwen ohne Mut. Zusammen meistern sie allerlei Hindernisse und Gefahren, doch statt in der Smaragdstadt am Ziel ihrer Wünsche und dem Ende ihrer Reise angekommen zu sein, schickt sie der Zauberer in den aussichtslosen Kampf gegen eine böse Hexe.

Eine Vielzahl von Fortsetzungen und Verfilmungen - allen voran der MGM-Musical-Klassiker „Der Zauberer von Oz“ von 1939 mit Judy Garland - prägten das kollektive Bewusstsein und wurden so zum Teil der amerikanischen Kultur.

In deutscher Sprache erschien das Buch, das in den USA bereits 1900 erschienen war, erstmals im Jahr 1940 im Schweizer Morgarten-Verlag, bevor es 1964 erstmalig in der BRD und sogar erst 1988 in der DDR erschien. Die Geschichte ist dennoch im Osten Deutschlands wesentlich populärer als im übrigen Teil des Landes. Die Adaption des Buches durch den Russen Alexander Wolkow, die bereits 1964 unter dem Titel „Der Zauberer der Smaragdenstadt“ in beiden Teilen Deutschlands erschien, avancierte in der DDR zum Bestseller. Unzählige Kinderherzen erlebten mit Dorothy, die hier Elli heißt, dem Scheuch, dem Eisernen Holzfäller und dem Feigen Löwen wie die böse Hexe letztendlich besiegt und der Zauberer als Schwindler enttarnt wurden.

Die Ehapa Comic Collection legt nun eine fantastische Comicadaption dieser Geschichte vor. Die von Enrique Fernandez gezeichnete und von David Chauvel getextete Fassung erschien ursprünglich 2005-2006 in Frankreich als 3-bändige Albenserie.

In den Presseinformationen von Ehapa heißt es: David Chauvel überzeugt mit seinem erzählerischen Talent, während Enrique Fernández Schauplatz wie Charaktere durch seinen ausdrucksstarken Zeichenstil und seine wunderschönen Farben auf bezaubernde Art und Weise dargestellt. – Das kann man als Ausgangspunkt durchaus so stehen lassen. David Chauvel gelingt es tatsächlich, die mehr als 100 Jahre alte Geschichte des Amerikaners Lyman Frank Baum mühelos in das Medium Comic zu transferieren, nahezu kein Handlungsteil wurde weggelassen oder zu Gunsten einer anderen Betonung vernachlässigt. Und wo der Text zu knapp wird oder sich ganz ausspart, etwa bei Landschafts- oder Gebäudebeschreibungen oder der Frage, was der in der Geschichte ja nur am Rande vorkommende Toto eigentlich gerade macht, da übernehmen die Bilder die Aussage. Enrique Fernandez gelingt es auf fantastische Art sich von anderen Oz-Illustratoren wie W. W. Denslow, John R. Neill, Lisbeth Zwerger oder Leonid Wladimirski abzusetzen, ohne den Oz-kundigen vollständig mit seinen Erwartungen alleine zu lassen. Seine Dorothy ist kindlicher als jede andere zuvor und trifft doch scheinbar gerade dessen viel mehr Baums Intentionen. Sie wirkt menschlicher und zerbrechlicher als bei den genannten Illustratoren. Insbesondere der Wutausbruch der kleinen Dorothy, die von der Hexe gefangen gehalten und gequält wird, ist sehr eindrucksvoll dargestellt worden.

Die Figuren sehen manchmal traurig drein und manchmal hoffnungsvoll oder gar mutig und entschlossen, aber inmitten all dieser Ausdrucksformen sind da immer die strahlenden Augen von Fernandez’ Dorothy.

So wie den Figuren durch deren Gestaltung Leben eingehaucht wird, erzeugt der Zeichner Stimmungen durch die konsequente Farbgestaltung beispielsweise bei den Handlungsteilen die in der grünen Smaragdstadt spielen. Diese Szenen sind fast vollständig in Grüntonen gehalten. Ähnliches gilt später für die Szenen im roten Land der guten Hexe des Südens. Diese Seiten visualisieren sehr anschaulich und eindrucksvoll Baums Vorstellung des Landes Oz. Bei etwas genauerer Beschäftigung mit der Art und Weise, wie die farbigen Länder bei Baum zueinander angeordnet sind, erkennt man, dass ein System dahinter steckt, dass den Prinzipien der Farbenlehre mit Primär- und Sekundärfarben folgt.

Ein weiteres eindrucksvolles Stilmittel ist die etwas andere Gestaltung der Rückblendenszenen. So sind die Erzählungen der Vogelscheuche und des Blechmannes über ihre Entstehung in Sepiafarbtönen gehalten und mit einem farbigen Rahmen als Hintergrund versehen. Die Erzählungen des Zauberers nach dessen Enttarnung haben die beiden Künstler liebevoll in ein Puppenstück verpackt, dessen Darstellung noch mal darauf hinweist, dass der Zauberer auch vorher nichts anderes getan hat als an den Fäden zu ziehen und sich dezent im Hintergrund zu halten. Etwas bizarrer ist die fast ins Groteske überzeichnete Bilderbuchversion der Geschichte der Geflügelten Affen. Hier beweist sich auch das Fingerspitzengefühl, das David Chauvel bei seiner Adaption der Geschichte hatte, um diese für die Handlung eigentlich eher unwichtige Erzählung, die von der Fabulierfreude Baums zeugt, in der Comicversion zu lassen. Die Visualisierung dieser durch den jungen französischen Zeichner Enrique Fernandez ist einer der Höhepunkte des Comics.

Die liebevolle Gestaltung der ganzen Geschichte macht diese inhaltsgetreue Bilderversion zu einer Empfehlung für jeden Oz-Freund. Und es fällt eigentlich erst hinterher auf, wie sehr sich der Szenarist David Chauvel in den Dienst des Baumschen Textes stellt, man bemerkt die für den Medienwechsel notwendigen Änderungen des Textes fast gar nicht.

Eingeleitet wird das Album, wie auch die französischen Originalausgaben, durch eine amerikanische Karte des Landes Oz.

Für die deutsche Ausgabe wurden die 3 Originalalben zu einem Band zusammengefasst und das ursprüngliche Format von 22,5 x 29,8 cm auf 17,5 x 24,5 cm verkleinert. Erstaunlicher- oder viel mehr erfreulicherweise ist die Wirkung der Zeichnungen in beiden Versionen sehr ähnlich. Die Verkleinerung ist also vor allem in Bezug auf den Preis von 15 Euro für das 96seitige Album auch für Comicfans akzeptabel.

Die Übersetzung aus dem Französischen stammt von Bernd Leibowitz. Leider ist bei der deutschen Textfassung einiges zu beklagen. So kann beispielsweise das vom Sturm mitgerissene Haus gar nicht bis zur Spitze der Windhose hochgehoben werden, denn die Spitze befindet sich unmittelbar über dem Erdboden (Seite 5). Und das der Übersetzer die Namensgleichheit des Landes Oz mit dem Zauberer der auch Oz heißt nicht hundertprozentig im Griff hat, zeigt sich auf Seite 10, als Dorothy statt zu Oz nach Oz geschickt wird, obwohl sie ja bereits im Land Oz ist. Solcherlei zieht sich leider durch das ganze Buch und ist in seiner Vielzahl dann doch ärgerlich.

Eines kann man der Übersetzung aber zu Gute halten, sie fördert die Allgemeinbildung, denn wer bitte weiß im nord- und mitteldeutschen Raum schon was ein Spengler ist? Dieser Ausdruck für jemanden, der beruflich Dinge aus Metall, besonders Blech herstellt, repariert und einbaut ist nur regional bekannt und lässt sich grob als Klempner übersetzen. – Über 100 Jahre wurde der Blechmann von einem Schmied zusammengesetzt, nun ist er halt beim Klempner gelandet.

Den größten Fauxpas leistet sich die deutsche Ausgabe allerdings auf dem Cover und dem Vorsatzblatt mit der Namensgebung L. Franck Baum. Zumal auf der Impressum-Seite durchaus bewiesen wird dass auch im Ehapa Verlag bekannt ist, dass man Frank ohne c schreibt.

Einige Schreibfehler runden den Eindruck einer schludrigen Umsetzung ab.

Ein weiterer Minuspunkt ist die Farbsättigung. Die Seiten sind um einiges dunkler als im Original, dass mag noch im vertretbaren Rahmen sein, stört aber schon, wenn man den Unterschied kennt.

Etwas unsicher war der Verlag wohl bei der Verwendung der Titelbilder, die man wahrscheinlich auch aus Platzgründen dem deutschen Leser nicht vorenthalten wollte, so wurden das Titelbild des zweiten und dritten Bandes vor den jeweiligen Teil im Album eingefügt. In Anbetracht dessen, dass dies für den ersten Teil nicht geschehen ist, wirkt das Ganze etwas uneinheitlich. Zumal mit der Illustration für den französischen Schuber durchaus geeignetes Material vorgelegen hätte.

Für alle, die jetzt ratlos oder traurig dreinblicken, sei noch mal explizit angemerkt, dass die Geschichte und die Zeichnungen so hervorragend umgesetzt sind, dass man über diese Mängel durchaus hinwegblicken kann, zumal der Preis von 15 Euro für ein 96seitiges Album in Deutschland eher günstig zu nennen ist.

 

Torsten Kühler, 23.08.2006

 
 
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